Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 42, K. 02

Episode Nr.
10

Soziale Systeme sind operativ geschlossen, aber keineswegs isoliert: Sie stehen in kausalen Beziehungen zur Umwelt. Um zu verstehen, wie sie Strukturen bilden, muss der Prozess ihrer Autopoiesis beobachtet werden, denn alle Operationen sind darauf ausgerichtet.

Zunächst: Wie unterscheiden sich Systemtheorien aus Physik und Informatik von der Theorie sozialer Systeme?

Laut Entropiegesetz verlieren geschlossene Systeme ständig Energie und sterben den Wärmetod, d.h. sie lösen sich auf. Dieses physikalische Gesetz ist jedoch nicht auf soziale Systeme übertragbar, die durch Kommunikation operieren.

In der Informatik beweisen Systemtheorien, dass ein operativ geschlossenes System seinen eigenen Output als Input verwenden kann. Typisches Beispiel ist die Hirnforschung. Das erklärt jedoch noch nicht die Verschiedenartigkeit von Elementen eines Systems. Es muss eine interne Konditionierung dafür geben, wie selektiert wird. Die Elemente werden verknüpft, und dies geschieht durch Selektion. 

Operative Geschlossenheit bedeutet außerdem nicht Isolation. In einem sozialen System bestehen Kausalbeziehungen zwischen System und Umwelt. Diese müssen im Unterschied zu informationeller und zu semantischer Geschlossenheit betrachtet werden.

Autopoiesis, die Selbstreproduktion aus eigenen Elementen, verlangt zudem Zeit: Soziale Systeme erzeugen ihre Operationen im zeitlichen Rückgriff und Vorgriff auf andere eigene Operationen. Sie setzen sich selbst voraus.

Über die Selbstreproduktion und Autonomie hinaus ist Autopoiesis zugleich auch immer eine Reproduktion der Grenzen des Systems. Dies erläutert eine Fußnote: Bei einem Foto des Eiffelturms ist das Foto das Produkt. Die wichtigste Ursache dafür ist der Eiffelturm. Dieser liegt außerhalb des Systems. D.h. ein System kontrolliert nur die internen Ursachen für eine Produktion, nicht die äußeren.

Autopoiesis verläuft bei allen Arten von Leben und von Kommunikation gleich. Das erklärt aber noch nicht, welche normativen Programme ein System ausbildet. In der Biologie wäre dies z.B. die Frage: Wie wird entschieden, ob eine Leber- oder Hirnzelle entsteht? Es muss eine interne Konditionierung dafür geben, wie selektiert wird.

Um zu verstehen, wie ein System Strukturen bildet, muss Autopoiesis darum als Prozess verstanden und beobachtet werden. Der Grund ist, dass alle Operationen des Systems auf diesen Prozess ausgerichtet sind.

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