Folge 3, RdG S.18, Zur rechtstheoretischen Ausgangslage

Episode Nr.
3

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass bisherigen Rechtstheorien kein theoriegenerierendes Prinzip zugrundeliegt, welches eine Reflexionstheorie ermöglichen würde.

Rechtstheorien sind Selbstbeschreibungen des Rechtssystems, um konsistent entscheiden zu können: Gleiche Fälle sollen gleich, ungleiche Fälle ungleich beurteilt werden. Dabei handelt es sich um eine rechtsinterne Norm, mit der Gerechtigkeit hergestellt werden soll. 

Normen sind Erwartungen: Etwas wird gesollt. Darin liegt ein Aufforderungscharakter. In seinen Rechtstheorien bestimmt das Recht somit seine eigene Autonomie. Es bestimmt sich selbst und seine einzigartige Funktion für die Gesellschaft.

Luhmann erklärt nun, wie das Recht sich selbst bestimmt. Es arbeitet z.B. mit Kausalzusammenhängen, es unterscheidet zwischen einer Rechtshandlung als Ursache und dem Rechtserfolg als Wirkung. Außerdem qualifiziert es Komponenten des Handelns (wie Vorsatz/Fahrlässigkeit) und unterscheidet Fehlerformen.

Heutige Juristen beurteilen Rechtskonstruktionen vor allem von ihren Folgen her. Von der Kompetenz der Personen hängt ab, ob eine Folgenabschätzung richtig sein wird.

Bei all dem setzt das Rechtssystem auf informationelle Redundanz. Redundanz hat die Funktion, Entscheidungen möglichst vorhersehbar zu machen. Die Gesellschaft weiß bestenfalls, was verboten ist. Nur im Streitfall wird das Rechtssystem gebraucht. In der Praxis kollidiert dies jedoch mit der zunehmenden Varietät der Fälle.

Dass das Recht selbst für Beweise sorgen muss, ist keine selbstverständliche Entwicklung. Der Bedarf wurde im 12. Jh. erkannt. Im Mittelalter kam es zur Entwicklung einer Kautelarjurisprudenz: Das Rechtssystem begann, sich vorsorglich für Entscheidungsprobleme in der Zukunft zu wappnen. Dies umfasst eine ständige Revision der eigenen Kontrollbegriffe und den Ausbau von Rechtsverfahren. Durch Selbstorganisation treibt das Rechtssystem also seine Autonomie voran.

Aus den vorliegenden Rechtstheorien schlussfolgert Luhmann, dass ihnen kein theoriegenerierendes Prinzip zugrunde liegt, welches eine Reflexionstheorie des Rechts ermöglichen würde. Diese will Luhmann mit systemtheoretischen Mitteln erarbeiten.  

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